Erste Erkundung war erfolgreich

Burg-Anlage

Niederungsburg

Letzten Freitag berichtete der Archäologe Thomas Budde im Kunsttreff Abbensen über die Ergebnisse der ersten stattgefundenen Prospektion im Fuhsetal zwischen Abbensen und Uetze. Durch das Pilotprojekt – die Erkundung der Kaunerwiesen-Anomalie war der Auftakt zu den Untersuchungen der möglicherweise viel älteren und bedeutenderen Wehranlagen entlang der Fuhse – konnte so vermutlich erstmals in Niedersachsen umfassend eine befestigte landwirtschaftliche Anlage dokumentiert werden. Nach der Untersuchung der hölzernen Umfriedung und weiterer Funde auf dem durch Graben, Wehrzaun und Wall geschützten Werth (oder Werder, Bezeichnung für eine Insel zwischen Fluss und Altarm) kann diese auf das ausgehende Mittelalter datiert werden, etwa Mitte des 16. Jahrhunderts.

Eine Zusammenfassung des Vortrags hier nachfolgend vom Autor verfasst:

Die archäologische Erkundung der Kaunerwiesen bei Abbensen

Zusammenfassung:

Die „Kaunerwiesen“ sind ein Wiesengelände in der Fuhseniederung westlich von Abbensen, direkt am Übergang des alten Straßendammes von Abbensen nach Stellfelde/ Oelerse. Bei Hochwassern tritt in den Wiesen regelmäßig ein breiter Fuhse-Altarm wieder zutage. Zwischen diesem und Fuhse liegt eine leichte inselartige Erhebung, auf die vom Landstraßendamm zwei angeschüttete Wegdämme zuführen. Aufgrund dieser auffälligen Geländesituation war diese Stelle schon immer „verdächtig“. Vor fünf Jahren entdeckte der Verfasser auf einem alten Luftbild vom Februar 1982 hier eine deutliche trapezförmige Struktur von gut vierzig Metern Breite. Demnach war zu erwarten, dass auf der Altarminsel einst eine Befestigungsanlage gelegen hat. Aufgrund der Nähe zum alten Fernstraßenübergang, dem geschichtlich bedeutenden „Abbenser Pass“, und der beiden Zuwegungen wurde zunächst eine befestigte Warte zur Überwachung der Fuhsefurt als Außenposten des Rittergutes vermutet, doch fehlten letztlich Beweise.

Im Herbst 2011 entschlossen sich der Förderverein Dorf Abbensen und Kreisheimatbund Peine gemeinsam, den Verfasser mit der archäologischen Erkundung der rätselhaften Anlage zu beauftragen. Die Arbeiten wurden im Herbst 2011 und Frühjahr 2012 durchgeführt und schließlich im Sommer ausgewertet. Bestandteile der Studie sind Vermessungen, Erstellung von Geländemodellen, geomagnetische Erkundung, historische Kartenforschung und schließlich gezielte Sondagegrabungen an wenigen ausgewählten Stellen. Diese Methode wird in der Archäologie als „Prospektion“ (Erkundung) bezeichnet. Ziel war es, mit einem Minimum an Bodeneingriffen Aussagen über die Fundstelle zu erhalten, damit diese als Bodendenkmal angespochen und eingeordnet werden kann. Die wichtigsten zu klärenden Punkte waren Grundriss, Zweckbestimmung und Datierung der Anlage.

Die unter Mithilfe A. Sodemanns, Abbensen, und Dr. H. – W. Heines, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover, erstellten Geländemodelle lieferten wichtige Erkenntnisse über die ursprüngliche Geländestruktur. Der Staueffekt des alten Straßendammes führte in den Kaunerwiesen zu regelmäßigen Überschwemmungen, die das Gelände im Laufe der Zeit durch Ablagerung von Schlicksanden stark verebnet haben. Erst die Feinvermessung ließ das ursprüngliche Geländebild wieder vor dem Auge erstehen. Neben dem begradigten, aber noch an alter Stelle befindlichen Flußlauf der Fuhse konnten frühere Altarmverläufe , Flussinseln und –halbinseln (Werder) lokalisiert werden, wie sie auf der ältesten Abbenser Flurkarte von 1729 (J. H. Schröder) noch angedeutet sind. Deutlich zeigte sich nun, dass die trapezförmige Luftbildstruktur exakt auf dem ausgeprägten Werder liegt, auf den sie regelrecht zugeschnitten ist.

Ein an geeigneter Stelle quer über die Insel gelegter Suchschnitt von einem Meter Breite brachte schließlich den konkreten Nachweis der Befestigungsanlage. An beiden Enden wurde jeweils ein Graben mit inneren Pfostenstellungen nachgewiesen. Details dieser Befestigung erlauben eine Rekonstruktion als Wallgraben mit massivem Bohlenzaun. Im Gelände ist davon heute kaum mehr etwas zu erkennen, weil die Wallschüttung bei Aufgabe wieder in den Graben gefüllt worden ist, und die Überschwemmungen letzte Spuren allmählich verwischten. Die Köpfe der gekappten Pfosten lagen unter einer bereits 30 cm starken Schwemmschicht aus tonigem Schlicksand. Luftbilder aus den Beständen des früheren Landesvermessungsamtes und des Kampfmittelräumdienstes, neue Luftbilder (W. Küchenthal, Wendeburg) und das Ergebnis der geomagentischen Messungen durch Firma Schollenberger, Celle, erlauben in der Zusammenschau eine exakte Grundrissrekonstruktion der Anlage. Es handelt sich um ein regelmäßiges abgerundetes Trapez von maximal 45,10 x 43,15 Metern Größe. Im Süden scheint sich ein etwa 11 x 13,50 m großer Vorhof angeschlossen zu haben, was allerdings nur auf dem Magnetogramm erkennbar war.

Die Anlage konnte mittels der Dendrochronologie datiert werden. Das DELAG-Labor in Göttingen ermittelte für einen dicken Eichenpfosten der westlichen Befestigung das Fälljahr 1556 + – 15 – ein eindeutiger Hinweis auf die Erbauungszeit. In der Füllung des östlichen Grabens wurden Keramikscherben aus glasierter Irdenware gefunden, die grob in das späte 16. bis 17. Jahrhundert datieren. Demnach ist mit einer Bestehenszeit von etwa zwei Jahrzehnten bis mehr als einem halben Jahrhundert zu rechnen.

Die Frage der räumlichen Anbindung und Zugehörigkeit der Anlage konnte ebenfalls geklärt werden. Die beiden von Norden aus Richtung der Landstraße auf sie zuführenden Wegdämme wurden geschnitten und stellten sich dabei aufgrund von Funden in der Schüttung als deutlich jünger heraus. Der östliche ist in die Zeit um 1800 zu datieren, der westliche sogar erst in die Mitte des 20. Jahrhunderts, zumal er auf einem Luftbild von 1945 noch nicht zu sehen ist. Die Befestigungsanlage des 16. Jahrhunderts war somit nicht von der Landstraße aus zugänglich, noch konnte man von hier zur Landstraße gelangen. Der Zugang muss vielmehr von Süden über leicht erhöhtes Gelände aus Richtung des Abbenser Rittergutes erfolgt sein.

Im Innenbereich der Analge wies der schmale Suchschnitt nur zwei schwarze Bodenverfärbungen als Hinweis auf die frühere Nutzung auf. Weiteres hätte nur durch flächige Ausgrabungen geklärt werden können, die im Rahmen der Maßnahme aus besagtem Grund nicht vorgesehen waren. Funde in den Befestigungsgräben sowie im Aushub deuten auf einen landwirtschaftlichen Charakter der Anlage hin: Zahlreiche Rinderknochen, einige Pferdezähne, Metallfunde wie Hufeisen, Sichelfragmente oder Teile von Bullenketten etc. Als Sonderfund ist eine Art Holzschwert oder -säbel zu nennen. Das 63,40 cm lange, sorgfältig aus einem Ast zugeschnitzte Gerät könnte, wenn es keine Übungs- oder Spielzeugwaffe war, auch als Behelfsutensil eines Viehhirten gedient haben. Die archäologischen Befunde und Funde sprechen in der Gesamtheit für eine Deutung der Anlage als befestigtes Viehgehege. Der Wallgraben mit dem massiven Bohlenzahn hatte sicher eine Doppelfunktion als Annäherungshindernis und Hochwasserschutz. Dem Schutz des Viehs als wichtigster Habe der Landbevölkerung kam in damaliger Zeit eine große Bedeutung zu. So ist die relativ aufwendige Befestigung und die Platzierung der Anlage in unzugänglichem Gelände zu erklären. Die Lage und Zugangssituation lassen eine Zugehörigkeit zum Abbenser Rittergut vermuten, auf dem bis 1607 die Herren von Saldern ansässig waren.

Landwirschaftliche Befestigungsanlagen bzw. befestigte Gehege kennen wir als zum Teil noch erhaltene Bodendenkmale aus dem Ersegebiet von Eickenrode bis Blumenhagen. Hiermit konnte in den Kaunerwiesen bei Abbensen eine solche Anlage erstmals zusammenfassend archäologisch untersucht und datiert werden – und wie es scheint erstmals überhaupt in ganz Niedersachsen.

Es ist gleichzeitig die erste komplette Untersuchung einer Fundstelle im Rahmen des Burgenforschungsprojektes in der Fuhseniederung zwischen Abbensen und Uetze mit Schwerpunkt Abbensen, Dollbergen und Eddesse gewesen. Ziel war es vor allem, erstmals die Methode aus Geländevermessung, Luftbildforschung, geomagnetischer Prospektion und gezielten Sondageschnitten auf ihre Eignung zu überprüfen. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass dies am Beispiel der Befestigungsanlage in den Kaunerwiesen sehr gut gelungen ist. Die Abbenser Burg ist in den Kaunerwiesen nicht gesucht worden, sondern hat zweifellos im Bereich des Rittergutes gelegen, wo ebenfalls interessante Luftbildhinweise vorliegen. Die angewendete Methode wäre sehr gut geeignet, um bedeutendere und größere Fundstellen des Projektes, wie z. B. die „Königsborg“ zwischen Abbensen und Dollbergen zu untersuchen.

Thomas Budde M.A.
– Archäologe –

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