Spartanisches Quartier

look-twice-graz Es riecht streng nach Farbe und Spanplatten unten im Schießstand des ehemaligen Schützenhauses. Oben, im früheren Schankraum, wo früher die polierten Plaketten der Schützen hingen, werden die übergestrichenen kahlen Wände nun lediglich von ein paar bunten Bildern aufgehübscht, gerahmte und aufgemalte. An der zugemauerten Wand, die früher ein Tresen war, ein schmales Regal mit Stromanschlüssen zum Aufladen für mobile Telefone. Gegenüber hängt einsam ein Bildschirm in der Ecke, eine angeschlagene Zimmerpflanze in der Mitte des kargen Raumes versucht ein wenig wohnliche Atmosphäre neben den zwei kleinen Sofas zu erzeugen. Ein paar Tische und Stühle gibt es auch noch. Der Blick nach draußen Richtung Tennisplätze zeigt braune Sanitär- und Küchen-Container vor graugrüner Kulisse. Es ist Februar und trotz der Sonne, die den oberen Raum durchflutet, beschleicht den Besucher der Immobilie ein beklemmendes Gefühl, als die unteren Räume betreten werden.

Im ehemaligen Schießstand, der bald Schlafsaal für 24 sein wird, kommt zur Beklemmung noch Klaustrophobie hinzu. Es ist eng und dunkel in den abgetrennten Abteilen, dort stehen jeweils sechs Bettgestelle mit Matratzen, mehr passt nicht hinein. Die fensterlosen Abteile haben keine Türen, lediglich Vorhänge vermitteln ein wenig Sichtschutz zum Gang. Vorne an der Treppe gibt es abschließbare Spinde, ansonsten fehlen Schränke, dafür ist kein Platz vorhanden. Auch die Küche für die drei Immobilien (Schützenhaus, Blaues Haus und Alte Wache) befindet sich in den Containern draußen auf dem Platz. Die vorhandene Kochnische im Schützenhaus wird später als kleine Teeküche genutzt werden. Die winzige Waschküche unten ist bereits überfüllt, wenn sich nur eine Person darin befindet.
Luxus sieht anders aus.
Das Haus ist sicherlich kein Zuhause oder gar Feriendomizil, wird aber auf Monate eine sichere Wohnmöglichkeit – wenngleich mit dem Charme einer Jugendherberge – für etliche Asylbewerber sein.

Im Keller befindet sich das Büro des Betreibers ASB, dazu ein winziger Schulungsraum, Abstellräume, Toiletten – keine Duschen, die befinden sich im Nebengebäude. Der Arbeiter-Samariter-Bund ist seit mehren Tagen vor Ort, um die Unterkunft vorzubereiten. Eine Telefonnummer zum Büro wird demnächst freigeschaltet, ebenso eine E-Mail-Adresse.

Nächste Woche sollen also 24 Flüchtlinge in das Haus einziehen können. Später wird das Blaue Haus mit 16 und danach die Wache, an der noch gearbeitet wird, mit 20 Personen belegt werden. Auch der Einsatzleiter des ASB, Michael Grote weiß noch nicht, welcher Nationalität, Altersgruppe oder Geschlecht die Menschen sein werden, diese Info gäbe es erst Stunden vor der Ankunft. Sie kommen jedenfalls aus anderen Einrichtungen, Erstaufnahmen und Zwischenstationen und werden hier einige Monate auf die Bescheide ihrer Asylanträge warten.

Am Montag hatten die zahlreichen Helfer, die sich in Dollbergen um die Einquartierten kümmern wollen, bei der ASB vorgestellt und konnten das umgebaute ehemalige Schützenhaus besichtigen. Die Gruppe, deren Koordinatorin die Ortsbürgermeisterin Tove Knebusch ist, bot dem ASB Unterstützung bei der Betreuung der künftigen „Insassen“ an. Deutschkurse und Begleitung bei der Integration sind zwei Hauptanliegen der Helfer. Die ebenfalls angedachte Kleidersammlung wird in dieser Form vermutlich nicht nötig sein, die Sachen werden wohl zentral in Uetze oder Hänigsen besser aufgehoben sein. Falls die „Dollberger Flüchtlinge“ derartiges benötigen, könnte die überschaubare Gruppe mit dem Fahrdienst des ASB dorthin transportiert werden.

Möglicherweise könnte jedoch Hilfestellung für die Asylsuchenden beim Einkauf nötig sein. Die Ankömmlinge werden mit einem Taschengeld versorgt werden, das sie in den hiesigen Geschäften ausgeben können. Hierbei könnte eine Begleitung durch Einheimische hilfreich sein, um den Umgang mit deutschen Geld und deutschem Verhalten etc. zu erlernen.

Michael Grote mahnte die eifrigen Helfer zur Besonnenheit. „Lasst die Menschen erst einmal ankommen, dann setzen wir uns ein paar Tage später zusammen und stellen gemeinsam Pläne auf“, versprach er.

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