Auch im Jahr 1932 war das Industriegebiet Dollbergen Ziel von Besuchergruppen.
Hier ein Text aus dem Archiv der Celleschen Zeitung.
Ein Besuch in Dollbergen
Wie und wo das Wietzer Oel verarbeitet wird
Am Mittwoch Nachmittag veranstaltete der ADAC Celle eine Besichtigungsfahrt zu der dem Leuna-Konzern gehörigen Ölraffinerie Dollbergen. Der kleine Ort, der einzig aus der Fabrik zu bestehen scheint, liegt zwischen Uetze und Peine, an der Haupteisenbahnstrecke Hannover-Berlin.
Das Wetter war schön, es war nicht zu heiß; trotzdem fiel – bei der augenblicklichen Witterung fast ein Wunder – kein Regen. So konnte denn die Celler Wagenkolonne in einer kurzen halben Stunde das Werk erreichen. Kaum hatten die Besucher den Ort Uetze verlassen, da sahen sie auch schon mitten aus dem freien Feld einige Schornsteine gen Himmel ragen und eine große Anzahl von Öltanks, die rechts und links die Straße flankierten. Aus diesen Anzeichen entnahm auch der blutigste Laie, da die Fabrikschornsteine in dieser Gegend ja nicht ganz so zahlreich wie die Spargel sind, dass man am Bestimmungsort angekommen war.
In einer Kurzen Einleitungserklärung setzte der Leiter des Werkes den Besuchern das Wesen dieser Raffinerie und ihre Arbeitsmethode kurz auseinander: Hier wird Öl aus dem Gebiet von Wietze-Steinförde zusammen mit dem aus dem Oberger Ölgebiet verarbeitet, um daraus als Hauptprodukt deutsche Schmieröl und veredelt: deutsches Autoöl zu gewinnen. Letzteres ist jedem Automobilisten unter dem Namen „Motanol“ bekannt. Nach dieser Einleitung, die natürlich viel ausführlicher wiederzugeben ist, begann der Rundgang durch das Werk.
Vor einem der Fabrikgebäude waren zahlreiche Tanks halb in die Erde eingebaut. Hierin befindet sich das Rohöl, das von hieraus seinen Weg durch das Veredelungsgetriebe anzutreten hat. Zunächst wird es destilliert, das heißt verdampft. Aus mächtigen Düsen wird flüssiger Brennstoff in die Öfen geschleudert, der gierig von der heißen Flamme verzehrt wird. Zahlreiche riesige, retortenartige Behälter (wer kann die Fachausdrücke behalten?) liegen über den Öfen, nehmen das Ölgas auf und scheiden, je nach dem Grad der Abkühlung (wenn man davon überhaupt sprechen kann, war es doch in den Räumen, in denen diese Öfen standen, immerhin noch 60 – 70 Grad [Celsius] warm) die einzelnen Ölarten, die im Rohöl enthalten sind, aus. Das erste Fertigungsprodukt, dass hier entsteht, ist der Betriebsstoff für die „Roh“ölmotore. Doch zeigt bereits der kleinste Einblick in das Raffinationsverfahren, dass es sich hier nicht um wirkliches Rohöl handelt (es gibt keinen Motor auf der ganzen Welt, der ein derartiges Öl vertragen könnte), sondern um ein relativ rohes Destillat.
Doch man kann nur immer wieder betonen, dass das Verfahren ungleich komplizierter ist, als es hier dargestellte wird.
Da das Rohöl etwa 10 – 20 von Hundert [Anteile im] Benzin enthält, wird dies (in Dollbergen nur als Nebenprodukt gewonnen) während des Destillationsverfahrens ausgeschieden und extra verkauft. Eine Schwierigkeit bereitet noch die Entfernung des Parafins, an dem das Wietzer wie das Oberger ÖL reich ist. Hierzu wird das Öl auf 0 bis minus 3 Grad abgekühlt, dann gerinnt das Parafin und wird durch eine Presse mir was-weiß-ich-wie-viel Atmosphären aus dem Produkt herausgepresst. In dem Raum, wo dieses Verfahren vor sich ging, war es, im Gegensatz zu den tropischen Regionen der Destillation, angenehm kühl. Fast ein bisschen zu kühl für die sommerlich gekleideten Besucher.
Die letzte Etappe der Produktion ist die chemische Behandlung der Destillate. Doch als die Besucher in einen Raum geführt wurden, der so mit den Dünsten von Schwefelsäure geschwängert war, dass sie eine Viertelstunde nachher noch husteten, interessierten sie sich nicht weiter für diese letzte Behandlung des gewonnenen Öls.“
Textbearbeitung: M. Blazek
- Der Artikel stammt im Original (hier als 420 Kbyte große Bilddatei) aus der „Celleschen Zeitung“ vom 19. August 1932, und wurde uns freundlicherweise von Matthias Blazek (Autor der Chronik 100 Jahre Feuerwehr Dollbergen, 2009) zur Verfügung gestellt. Zur Ansicht in größerer Auflösung das Bild anklicken, Text wie Abschrift des Artikels.
Leider sind in dem Artikel nur spärliche Angaben zu Namen und Orten gemacht worden. Im Jahr 1932 war auf dem östlich der Straße nach Uetze gelegenen Gelände die Deutsche Gasolin angesiedelt, die das Werk ein Jahr zuvor von dem Industriellen Georg Greiser übernommen hatte. Auf dem Westgelände (heute MRD) betrieb Greiser aber ebenfalls eine Raffinerie. Da aber der angesprochene Leuna-Konzern zur IG-Farben/Gasolin gehörte und auch das Autobenzin Marke Motanol erwähnt wird, ist das ein eindeutiger Hinweis auf die „Deutsche Gasolin„.
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