Neues von der Königsborg

Burg-Anlage

Niederungsburg

Im vergangenen Jahr und in den Monaten davor untersuchte der Archäologe Thomas Budde auf Abbenser Gebiet auffällige Bodenmerkmale. In einem Bericht schreibt er nun über die aktuellen Erkenntnisse, zu denen er gelangt ist.
Hier zunächst die Zusammenfassung:

Um die vor zehn Jahren begonnene, nach ersten Erfolgen leider nicht mehr geförderte Burgenforschung in der Fuhseniederung fortzusetzen, wurde im Sommer 2014 eine umfangeiche Bohrsondage im Bereich der „Königsborg“ zwischen Abbensen und Dollbergen durchgeführt. Die Königsborg ist – allerdings nur als orange Einfärbung – auf dem Kartenblatt der kurhannoverschen Landesaufnahme von 1781 verzeichnet. Hier konnte der Verfasser in langer Arbeit viele Luftbildbefunde und Geländemerkmale aufnehmen, die auf einen begonnenen, aber nicht vollendeten Burgenbau hinzudeuten scheinen. Die Bohrsondage ergab, dass im Bereich der Königsborg eine aus Auenlehm bestehende große Niederungsinsel vorliegt, die von der Fuhse und einem östlichen Nebenarm umflossen wurde. In der Mitte ist sie durch einen weiteren Altarm mit zwei regelhaft erscheinenden Inseln getrennt. Insgesamt liegt ein ausgezeichneter Baugrund für eine Burganlage vor. Die Zusammensetzung der Bohrprofile bestätigte allerdings den Verdacht, dass hier wohl nie gesiedelt worden ist, das heißt eine genutzte Anlage kaum bestanden haben kann.
Im Sommer 2015 schließlich wurde auf dem Abbenser Teil der Königsborg nach Genehmigung durch den Landkreis Peine Probegrabungen durchgeführt.

An drei interessant erscheinenden Stellen des Wiesengeländes wurden schmale Suchschnitte von insgesamt 55 Metern Länge angelegt. Die Arbeiten wurden vom Heimat- und Archivverein Edemissen unterstützt. Wichtigste Helfer waren wie zuvor Thomas Kuczniers aus Blumenhagen und Adolf Sodemann aus Abbensen sowie Florian Kobbe aus Uetze.
Die ersten beiden Suchschnitte brachten für die Burgenforschung enttäuschende Ergebnisse. Ein breiter Winkel, der im Gelände als leichter Wall erscheint, erwies sich nicht als wichtiger Bestandteil des Burgengrundrisses, sondern als Hochwasserschutzwall aus dem 19. bis frühen 20. Jahrhundert.

Mit dem dritten und vierten Suchschnitt wurde eine auffallende regelmäßig-sechseckige Luftbildstruktur am Ostrand der Fuhseniederung untersucht. Diese erscheint auf einem Luftbild von Anfang Mai 2002 als ca. 12,50 Meter breite dunkle Spur. Der Hinweis auf einen Bodeneingriff an dieser Stelle bestätigte sich durch die Grabung, doch fanden sich nicht etwa Fundamente, sondern Spuren einer Eingrabung, sprich eines wieder verfüllten Grabens, der – nach sorgfältigen Erwägungen – auch in Verbindung mit dem Flurnamen Königsborg, nur als begonnener Fundamentgraben für einen Turm gedeutet werden kann. Da Sechsecktürme äußerst selten in der Burgenarchitektur vorkommen, ergeben sich wenige, dafür umso engere Vergleichsmöglichkeiten für den Abbenser Grundriss. Die Sechsecktürme entstammen der Herrschaftsarchitektur der Salierzeit (11./12. Jahrhundert). Bester Vergleich sind die beiden auch etwa gleich großen Tortürme der Burgruine Sachsenstein am Südharz bei Bad Sachsa. Sie gehören zu einem Burgensystem Kaiser Heinrichs IV., das dieser in der Frühzeit seine Herrschaft, ab 1069/70, in den unbotmäßig gewordenen Gebieten des Stammesherzogtums Sachsen und Thüringens anlegen ließ. Dies führte zu einem erbittert ausgetragenen Konflikt, den Sachsenkriegen. Als der König sich zwischenzeitig nicht gegen die sächsischen Oberen durchsetzen konnte, musste er 1074 im Frieden von Gerstungen einer Schleifung der gerade errichteten, zum Teil noch im Bau befindlichen Burgen zustimmen. Der selbst nie fertiggestellte Sachsenstein ist ein anschauliches Beispiel für diesen Vorgang.

Alles deutet momentan darauf hin, dass die Königsborg ebenfalls eine begonnene, um 1074 wieder aufgegebene Reichsburg Heinrichs IV. ist, mithin das bisher einzige Beispiel in der niedersächsischen Tiefebene neben der längst verschwunden Burg auf dem Lüneburger Kalkberg. Um diese wichtige Erkenntnis zu untermauern, müssten weitere Erkundungen im Bereich der Königsborg, auch auf Dollberger Gebiet, und der angrenzenden, ebenfalls verdächtigen „Römerwiesen“ durchgeführt werden.
Thomas Budde M.A., Abbensen, den 25.01.2016

Langfassung: Archäologische Untersuchungen auf der „Königsborg“ zwischen Abbensen und Dollbergen 2014 und 2015: Erster konkreter Hinweis auf eine geplante Burganlage König Heinrichs IV.

Die Burgenforschung in der Fuhseniederung wurde nach der erfolgreichen Untersuchung 2012 in den „Kaunerwiesen“ vor Abbensen nun im Bereich zwischen Abbensen und Dollbergen fortgesetzt. Auf der Karte der kurhannoverschen Landesaufnahme von 1781 ist hier, in der östlichen Fuhseniederung, eine orangefarbene Markierung mit der Bezeichnung „Königsborg“ vermerkt. Der Verfasser konnte in diesem Bereich, der heute die ebenfalls auffälligen Flurnamen „Vorwiesen“ (Abbensen) und „Ortwiesen“ (Dollbergen) trägt, in jahrelanger Erkundung Oberflächenmerkmale und Luftbildbefunde ausmachen, die mit der besagten Königsborg in Zusammenhang zu stehen scheinen. Es wurde vermutet, dass die auf einer Fläche von 200 x 200 Metern verteilten Spuren von einer geplanten und begonnenen Burganlage stammen. Zu einer fertiggestellten und länger genutzten Burg passten die entdeckten Strukturen jedoch nicht, zumal in den zahlreichen Maulwurfshügeln über Jahre hinweg – bis auf wenige Keramikscherben – keine mittelalterlichen Funde entdeckt werden konnten.

Nachdem ein finanziertes Projekt trotz anfänglicher Bereitschaft mehrerer Förderer nicht zustande kam, wurde im Sommer 2014 mit freiwilligen Helfern (Adolf Sodemann, Abbensen, Thomas Kuczniers, Blumenhagen, und Florian Kobbe, Uetze) auf der Abbenser Seite der Königsborg eine Bohrsondage mit einem Pürckhauer-Bohrstab und einem Sondierstab durchgeführt, bei der insgesamt 91 Messungen entlang zweier Profillinien angelegt wurden. Hierbei wurde unter anderem ein aussagekräftiges 120 m langes Bohrprofil ermittelt. Es konnte nachgewiesen werden, dass es sich um eine große Flussinsel aus angeschwemmtem Auenlehm handelt, die im Westen von der Fuhse und im Osten von einem verlandeten, heute torfigen Nebenarm umflossen wurde. In der Mitte trennt ein weiterer Altarm unter Bildung zweier kleiner regelhaft erscheinender Inseln den Abbenser vom Dollberger Teil. Unter dem mit Raseneisenstein durchsetzten Auenlehm folgt in bis zu 0,80 m Tiefe kompakter eiszeitlicher Lehm und Kies (Geschiebelehm). Insgesamt wurde ein geeigneter Baugrund für eine von Wasser umgebene Niederungsburg festgestellt. Die Materialzusammensetzung der Bohrprofile deutete allerdings nicht auf eine Besiedlung des Geländes hin – ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei der Königsborg nicht um eine länger genutzte Burganlage gehandelt haben kann.

Als nächster Schritt wurden im Spätsommer 2015 nach Genehmigung durch den Landkreis Peine Probegrabungen auf der Abbenser Seite der Königsborg durchgeführt. Ermöglicht wurde dies durch eine finanzielle Unterstützung des Heimat- und Archivvereins Edemissen. Tatkräftige Unterstützung wurde wieder von den drei oben genannten Helfern geleistet. Die vier 0,75 m breiten Suchschnitte von insgesamt 55 Metern Länge wurden an drei vermeintlich aussichtsreichen Stellen platziert, wobei aufgrund der Größe der Fläche freilich die Qual der Wahl bestand. Mit dem ersten Suchschnitt wurde eine breite winkelförmige Struktur geschnitten, die auch als wallartige Erhebung im Gelände hervortritt. Der nach Süden spitz zulaufende große Winkel schien ein wesentliches Grundrisselement der Königsborg zu sein. Doch zeigten die Grabungen, dass es sich vielmehr um eine kiesige Anschüttung aus dem 19. bis frühen 20. Jahrhundert handelt, welche die Fuhseinsel vor Hochwasser schützen sollte.
Der zweite und längste Suchschnitt führte vom westlichen Altarm auf die höchste Erhebung der Insel. Er brachte zwar interessante bodenkundliche, aber keine archäologischen Erkenntnisse. Mit dem dritten und vierten Suchschnitt (3a und 3b) wurde eine auffallende regelmäßig-sechseckige Luftbildstruktur am östlichen Niederungsrand untersucht. Diese zeigte sich bisher nur auf einem einzigen Luftbild, nämlich von Anfang Mai 2002. Das ca. 12,50 m breite Sechseck hebt sich hier dunkel von der Wiese ab. Die Erscheinung ist zweifellos auf eine derzeit aufgetretene starke Bodenfeuchtigkeit, sprich Wasseransammlung, an dieser Stelle zu erklären. Durch die Grabungsschnitte konnte der Luftbildbefund auch im Boden bestätigt werden, jedoch nicht etwa in Form massiver Fundamente oder Hölzer, sondern als Nachweis einer Eingrabung, sprich eines verfüllten Grabens, der sich erst ab 40 cm Tiefe in Form veränderter Bodenstrukturen und sandigeren Erdmaterials abzeichnete. In den darüber liegenden Schichten gefundene Keramikscherben aus dem 16. bis 19. Jahrhundert deuten darauf hin, dass die Sechseckstruktur schon relativ „alt“ sein muss, doch lieferte sie selbst keine Funde.

Das Ergebnis schien zunächst etwas dürftig, doch sollte die weitere Beschäftigung mit dem Sechseckgrundriss schließlich zu entscheidend wichtigen Erkenntnissen führen. An der betreffenden Stelle, einer Wiese am Rande der Fuhseniederung, außerhalb von Ansiedlungen, kommt die Struktur – zumal in Verbindung mit dem Flurnamen „Königsborg“- grundsätzlich nur als Fundamentgraben für einen Turm bzw. als provisorische Geländemarkierung für einen zu errichtenden Turm in Frage. Polygonale Turmgrundrisse kommen in der hiesigen Burgenarchitektur im Verhältnis zu den runden und quadratischen Türmen selten vor. Unter diesen dominieren klar die achteckigen Türme. Für die Sechseckigen ergeben sich, wie der Verfasser herausfinden konnte, nur ganz wenige, jedoch vielsagende Vergleichsbeispiele.

Auch in der Breite mit 12 Metern fast identisch sind die beiden Tortürme der Burg Sachsenstein bei Bad Sachsa im Südharz. Die Burg wurde um 1073 im Auftrag des salischen Königs Heinrich IV. erbaut. Ebenfalls salierzeitlich ist der ergrabene sechseckige Bergfried der ehemaligen Burg Creußen, südlich von Bayreuth. Die Mauerstärke der Doppeltürme beträgt rund 2 m, die des Creußener Turms sogar bis 2,45 m. Drittens ist einer der Haupttürme der Brandenburg bei Gerstungen im Wartburgkreis sechseckig. Im Aufgehenden zwar stauferzeitlich – um 1200 – mag er ursprünglich ebenfalls aus der Salierzeit stammen, in welcher Gerstungen als mehrfacher Aufenthaltsort Heinrichs IV. eine wichtige Rolle spielte. Mehr Vergleichsbeispiele konnten trotz langer Recherche vorerst nicht gefunden werden. Es hat sicher noch weitere Sechsecktürme gegeben, doch sind sie äußerst selten und haben ihre Wurzel ganz offenbar in der herrschaftlichen Architektur der Salierzeit.

Entscheidend für die Deutung des Abbenser Grundrisses ist die Verbindung zum Sachsenstein. Er gehört zum Burgensystem des deutschen Königs und späteren Kaisers Heinrich IV., das dieser in der Frühzeit seiner Regentschaft – ab 1069/70 – im alten Stammesherzogtum Sachsen sowie in Thüringen anlegen ließ, um diese abtrünnig gewordenen Gebiete der Krone wieder botmäßig zu machen. Im Zuge der daraufhin ausgebrochenen Sachsenkriege musste der König den sächsischen Oberen 1074 im Frieden von Gerstungen zugestehen, die gerade erst errichteten oder noch im Bau befindlichen Burgen wieder zu schleifen. Am Beispiel des Sachsensteins ist dies gut nachvollziehbar: Die beiden Sechsecktürme beispielsweise wurden nie fertig, sind nur bis Sockelhöhe aufgemauert worden. Zeitgenössische Chronisten, namentlich Lampert von Hersfeld, erwähnen nur acht Burgen Heinrichs IV. ausdrücklich. Sie liegen alle am Harzrand, darunter die Große Harzburg als bedeutendste Anlage. Gleichzeitig aber ist von einer Vielzahl von Burgen im gesamten Herzogtum Sachsen und Thüringen die Rede, die bisher – mit Ausnahme wohl der verschwundenen Burg auf dem Lüneburger Kalkberg – unbekannt bzw. nicht zuordenbar sind. Es besteht hier eine große Forschungslücke.

Kurzum deutet zurzeit Vieles darauf hin, dass die Königsborg eine der nicht fertig gewordenen Reichsburgen Heinrichs IV. ist. Obwohl der seltene Sechseckgrundriss in Verbindung mit dem Namen allein schon ein triftiges Argument ist, muss weiter geforscht werden, um dieses auch überregional bedeutende Ergebnis für die Burgenforschung und Geschichtsschreibung weiter zu untermauern. Es bieten sich bereits erfasste, verdächtige Luftbildstrukturen vor allem auf der Dollberger Seite der Königsborg und in den anschließenden „Römerwiesen“ an, darunter ein noch größeres auf Luftbildern erkennbares Sechseck. Die Tatsache, dass der Flurname Königsborg bis um 1780, also sieben Jahrhunderte nach den vermutlichen Bauaktivitäten, im Bewusstsein der Bevölkerung überdauert hatte, lässt jedenfalls noch einiges mehr vermuten. Wie sich gezeigt hat, können dabei auch unscheinbare Befunde wichtig sein.
Thomas Budde M.A.
-Archäologe –
31234 Edemissen-Abbensen
Tel. 05177-985345

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Ein Kommentar

  1. Höchst interessant – vielen Dank für die ausführlichen Informationen. Ich hoffe sehr, dass auch in der Region Hannover ein- und vor allem weitsichtige Förderer gefunden werden. Solche Spuren müssen rechtzeitig gesichert und dokumentiert werden. Die Zersiedelung und Versiegelung unserer Landschaft geht erschreckend schnell voran.